Streetart und Panoramafreiheit

Streetart London Camden by Dan Kitchener

Mal ein Blog-Beitrag, der nicht nur eine Zusammenstellung exzellenter Streetart-Kunst zeigt sondern auch noch nützliche Infos  zum Thema enthält:

Streetart London Camden by Alessandra Tortone

Streetart by Alessandra Tortone

Wer meinen Blog schon eine Weile verfolgt, der weiß, dass ich Streetart sehr gerne mag. Kleine und auch große Schmuckstücke in den urbanen Metropolen. Nicht alle, aber doch einige. Jedenfalls dann, wenn sich ein erfahrener Streetart-Künstler an´s Werk gemacht hat. Beim Sichten und dem Postprocessing meiner Fotos sind mir dann doch ein paar Exponate aufgefallen, die sich durchaus für einen guten Print eignen. Die „Low-Budget“ Gallerien wie Lumas und YellowKorner praktizieren das ja schon eine Weile und bieten immer mal wieder entsprechende Art-Drucke von Fotografen zum Kauf an. Womit sich natürlich die Frage stellt, wie verhält sich die Straßenkunst zum Urheberrecht. Darf ich Streetart fotografieren, darf ich die eigenen Aufnahmen mit reproduzierter Kunst anderer Schöpfer veröffentlichen und verwerten?

Streetart London Camden by Otto Schade

„Rhino“ by Streetartist Otto Schade

So paradox es klingen mag, die Antwort schon mal vorweg genommen lautet grundsätzlich ja! Und ich spreche da aus Erfahrung, denn neben meinen fotografischen Aktivitäten auf diesem Blog bin ich im Hauptberuf auch in der Juristerei tätig. Deshalb gibt es heute mal einen Info-Blogbeitrag zu diesem Thema. Und damit das ganze nicht zu trocken wird, garniert mit den besten Streetart-Bildern, die ich in diesem Jahr unterwegs aufgenommen habe.

Streetart London Camden by David "Gnasher" Nash

Streetart by David „Gnasher“ Nash

Kaum zu glauben, wo doch das Urheberrecht gerade in Deutschland sehr weit gefasst ist. Bei der Streetfotografie ist jedenfalls dann höchste Vorsicht geboten, wenn Menschen den Bildinhalt bestimmen. Hier bewerten die Gerichte im Streitfall das sog. Recht am eigenen Bild als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Einzelnen tendenziell höher als das Recht des fotografischen Künstlers an der Schaffung und Verbreitung eines Kunstwerkes. Generell sind Streetfotografien, die Menschen zeigen, nur in engen Ausnahmen nach dem Kunsturhebergesetz (KUG) zulässig. Die Details dazu werde ich in einem weiteren Beitrag näher beleuchten. Heute soll es hier nur um die Ablichtung und Verwertung der Bildnisse von Streetart-Künstlern gehen.

Streetart London Camden by The Dotmaster

„Indigo gets up before“ by Streetartist The Dotmaster

Der Bundesgerichtshof hat zwar schon vor 20 Jahren im sog. Mauerbildurteil entschieden, dass Straßenkunst und Graffiti grundsätzlich urheberrechtlichen Schutz genießen kann (vgl. BGH Urteil vom 23.02.1995, AZ: I ZR 68/93). Voraussetzung dafür ist lediglich, dass das Werk nach § 2 I Nr.4, II UrhG die sogenannte Schöpfungshöhe erlangt. Das ist dann der Fall, wenn das Werk einen eigenen individuellen geistigen Charakter aufweist. Dies ist bei allen Bildern, die ich hier zeige, gegeben. Lediglich bei bloßen einfachen Schriftzügen, denen kein besondere Originalität anhaftet, scheitert der urheberrechtliche Schutz bereits an der fehlenden individuellen geistigen und schöpferischen Leistung.

Streetart London Camden "Amy Winehouse" by Otto Schade

„Amy Winehouse“ by Streetartist Otto Schade

Wenn aber die Straßenkunst als schöpferisches Werk dem Urhebergesetz (UrhG) unterliegt, warum darf sie dann beliebig fotografiert und die gefertigten Aufnahmen verwertet werden? Hier kommt zum Leidwesen der Streetart-Künstler die sog. Panoramafreiheit nach § 59 UrhG ins Spiel. Denn nach dieser Vorschrift ist es generell zulässig, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Einzig und allein das Tatbestandsmerkmal „bleibend“ mag vielleicht bei Fotografen Zweifel daran aufkommen lassen, ob hier wirklich die Panoramafreiheit immer greift. Denn so mancher Hauseigentümer ist über die meist ungefragt angebrachte Kunst an seiner Wand „not amused“ und wird sie auf kurz oder lang auch wieder entfernen lassen. Das ändert aber nichts daran, dass es sich trotzdem um ein „bleibendes“ Werk handelt. Hier stellt der Gesetzgeber einzig und allein auf den Willen des Künstlers ab. Und welcher Künstler wird nicht bestätigen, dass sein Werk bleibend und nicht nur vorübergehend der Öffentlichkeit präsentiert werden soll. Selbst wenn es mit Kreide gezeichnet wurde und abhängig von der Witterung wohl nicht für die Ewigkeit bestimmt ist.

Streetart London Camden Town unknown artist

Streetart London Camden Town – unknown artist

Eine Ausnahme von der Panoramafreiheit besteht aber dann, wenn sich das Kunstwerk auf Privatbesitz befindet und nicht vom öffentlichen Raum aus zugänglich ist. Darunter fällt auch der Einsatz sog. Quadcopter. Das heißt, alles was aus der Luft oder unter erschwertem Einsatz von Telebrennweiten (z.B. aus einem Hotelzimmer) aufgenommen wird und unter normalen Gegebenheiten vom öffentlichen Raum aus nicht mehr eingesehen werden kann, wird von der Panoramafreiheit ausgeschlossen. Hier stellt der Gesetzgeber die Privatsphäre des Grundstücksbesitzers eindeutig in den Vordergrund. Auch Kunstwerke, die als Auftragsarbeit auf privatem Besitztum angefertigt werden, unterliegen nicht mehr der Panoramafreiheit, selbst wenn der Zugang hierzu ohne größere Hindernisse möglich ist.

Streetart New York by Eduardo Kobra

Streetart by Eduardo Kobra

Bleibt zum Schluss nur die Frage, was hat der Streetart-Künstler davon, wenn sein geschaffenes Werk zwar dem Urhebergesetz unterliegt, er aber die Anfertigung, Veröffentlichung und Verwertung von Fotografien Dritter kraft der Panoramafreiheit nicht verhindern kann? Ein kleines Trostpflaster hat der Gesetzgeber dennoch eingebaut: nach § 13 UrhG bleibt sein Recht auf Namensnennung als Schöpfer und Urheber grundsätzlich bestehen. Das heißt, jeder Fotograf sollte, wenn er erlaubte reproduzierte Streetart als Lichtbild veröffentlicht oder verwertet, den Schöpfer und Urheber namentlich benennen.

Streetart London Camden by Dan Kitchener

Streetart by Dan Kitchener

Aber auch bei der Namensnennung keine Regel ohne Ausnahme: nach § 63 I UrhG entfällt die Pflicht zur Quellenangabe dann, wenn die Quelle weder auf dem benutzten Werkstück oder bei der benutzten Werkwiedergabe genannt noch dem zur Vervielfältigung Befugten anderweit bekannt ist. Hat sich also der Streetart-Künstler mit seiner Signatur (lesbar und verifizierbar) auf seinem Werk verewigt, sollte sein Name als Quelle auch angegeben werden. Ist der Urheber und Schöpfer aber nicht erkennbar, was bei den weniger populären Graffitis meistens der Fall ist, denn welcher Sprayer gibt schon seinen Namen an, wenn er ohne Zustimmung des Hauseigentümers seine Kunst an fremden Wänden präsentiert, entfällt die Pflicht zur Namensnennung.

Streetart London Camden by Alessandra Tortone

Streetart by Alessandra Tortone

Zum Schluss noch der Hinweis, dass sich mein Blog-Beitrag mit der Rechtslage in Deutschland befasst. Nicht überall auf der Welt gibt es jedoch in den einzelnen länderspezifischen Urheberechtsgesetzen die sog. Panoramafreiheit. Z.B. in Frankreich und Italien kennen die jeweiligen Rechtsordnungen keine Panoramafreiheit. Das heißt nicht zwingend, dass vom öffentlichen Grund aus keine Aufnahmen gemacht werden dürfen. Aber dort, wo es keine Panoramafreiheit gibt, ist jedenfalls Vorsicht bei der Veröffentlichung und Verwertung der Bilder geboten.

2 Comments

  1. Manfred
    30. Oktober 2015

    Wie in viele anderen Bereichen auch, gibt es in der Fotografie auch viele Stolperfallen bei de Bildveröffentlichungen!
    Wenn ich den Artikel richtig verstanden habe, ist Streetart, die auf Häuserwand entlang eines Fußgängerweg sichtbatbar und gleichzeitig eine Auftragsarbeit ist, bei der Bildveröffentlichung problembehaftet.

    Gruß
    Manfred

    PS: Das Bild von Dan Kitchener ist Klasse!

    • CamMan
      2. November 2015

      Danke Manfred für den Kommentar. Zu Deiner Frage: auch Auftragsarbeiten, die sich an öffentlich zugänglichen Häuserwänden befinden unterliegen der Panoramafreiheit und dürfen fotografiert und veröffentlicht werden. Wenn sich das Werk allerdings auf Privatbesitz befindet und nicht unmittelbar von öffentlichen Plätzen und Wegen aus direkt anzusehen ist, kann es im Einzelfall bei der Bildveröffentlichung Probleme geben. Faustregel: wenn Du zuerst vom öffentlichen Weg z.B. auf eine Mauer steigen musst um das Bild zu sehen, dann lieber die Finger vom Auslöser lassen. Weitere Einschränkungen können dann gegeben sein, wenn Du z.B. eine Galerie oder ein Museum besuchst und dort für den Publikumsverkehr auch im Freien Kunstwerke ausgestellt sind. Diese Werke – obwohl für die Öffentlichkeit zugänglich – unterliegen stets dem Bestimmungsrecht des Eigentümers oder Betreibers.

      Und noch eine kleine Anmerkung am Rande: die Panoramafreiheit gilt nicht in allen Ländern. Mein Blog-Beitrag beschränkt sich auf die Rechtslage in Deutschland. Im anglo-amerikanischen Raum (UK und USA) ist die Rechtslage ähnlich. Es gibt aber auch einige Länder, die keine Panoramafreiheit kennen (z.B. Frankreich und Italien). In Paris ist es vereinzelt schon zu Problemen gekommen, als Fotografen den beleuchteten Eiffelturm bei Nacht fotografiert und die Bilder veröffentlicht haben. Da sich ein Unternehmen die Rechte an der Beleuchtung des Bauwerks gesichert hat, drohen hier Gefahren und Abmahnungen.

      Gruß
      Mike